Geschichte der Stephanuskirche
Drei Jahre nach der Erhebung zur eigenständigen Gemeinde, am Kirchweihsonntag, dem 09.10.1960, fand die Einweihung der Stephanuskirche statt, die von den Architekten Heinz Rall und Hans Röper entworfen wurde.
Aus einem Aufsatz zur Einweihung der Stephanuskirche 1960
von Pfarrer Müllerschön, dem ersten Gemeindepfarrer
„[…] Noch vor 13 Jahren, als ich die Pfarrstelle des damals nördlichen Bezirks der Lutherkirche übernahm, wurde auf dem Gelände, wo heute mächtige Wohnblöcke das Karl-Hartenstein-Haus und die Stephanuskirche stehen, geackert und gehackt, Getreide und Kraut geerntet. Und doch war der stadteinwärts gelegene Teil unserer heutigen Stephanuskirchengemeinde schon längere Zeit dicht besiedelt. Der Gedanke, im nördlichen Wohngebiet von Bad Cannstatt, im Katzensteig, ein Gotteshaus zu errichten, ist älter, als die meisten von uns wissen. Schon vor 30 Jahren wurde er Bau einer bescheidenen Kirche seitwärts der Schmidener Straße am Hang des Neckars erwogen. […] Dieses Kirchbauprojekt […] geriet aber dann in fast völlige Vergessenheit. Man musste sich begnügen mit der Miete des Untergeschosses im Wertzschen Haus in der Schmidener Str. 149 für Bibelstunden und Kindergottesdienst, später auch für einen Kindergarten. Stadtpfarrer Frank, der im Krieg gebliebene Stadtpfarrer Lang, Stadtpfarrverweser Schrader und zuletzt ich gingen dort nacheinander aus und ein.
Erst als nach dem Kriege, als durch die Rückkehr der Ausgebombten, durch die Heimkehr der Soldaten, den Zuzug der Heimatvertriebenen und der vielen von der Industrie Groß-Stuttgarts Angelockten auch unser Stadtteil in wenigen Jahren unvorstellbar schnell zu wachsen begann, waren wir gewzungen, uns ernsthaft mit Bauplänen zu befassen. Vom Jahr 1952 auf 1953 erstand durch die Hilfe des Evangelischen Vereins, des Vereins für Innere Mission in Bad Cannstatt, das Karl-Hartenstein-Haus. Es umfaßt zwei Kindergärten, einen kleinen Gemeindesaal und das Pfarrhaus. Schon damals ein schwererkämpftes Bauvorhaben, da die Gesamtkirchengemeinde und der Evangelische Verein mit dem Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Kirchen und Gebäude finanziell über ihre Kraft in Anspruch genommen waren. Am 26. Mai 1953 feierten wir die Einweihung des Karl-Hartenstein-Hauses, das seinen Namen nach dem im Jahr zuvor verstorbenen Stuttgarter Prälaten erhielt, der dem Dekan, dem Kirchenpfleger und dem Gemeindepfarrer beistand, den Beschluß des Baues durchzusetzen.
[…] Sehr schnell erwies sich das Karl-Hartenstein-Haus als zu klein. […] Im Frühjahr 1957, am 20. März, wurde unser bisher dritter Bezirk der Lutherkirche zur selbständigen Stephanusgemeinde erhoben. Am 12. März 1958 schrieb die Gesamtkirchengemeinde einen Architektenwettbewerb aus zur Erlangung von Entwürfen für den Bau einer Stephanuskirche. […] Am 24. Juni erkannte das Preisgericht den 1. Preis zu den Architekten Diplom-Ingenieur Heinz Rall und Diplom-Ingenieur Hans Röper. […] Im Jahr 1959 dann, am 23. März, begann die Baufirma Paul Stephan mit dem ersten Spatenstich, nach langwierigen Verhandlungen mit den Behörden im Juli mit der Fundamentierung des Gebäudes.
Wenn man so diese Daten liest und hört, hat man den Eindruck, es sei alles Schlag auf Schlag und ohne große Schwierigkeiten vorangegangen. Dem war aber nicht so. Es war ein mühevoller Weg […]. Um so größer war deshalb die Dankbarkeit und Freude der Gemeinde, als sie am 29. August 1959 den Grundstein zur Stephanuskirche mit dem Gemeindesaal und den Jugendräumen legen konnte. Die Urkunde, die im Grundstein verwahrt wurde, lautet:
„Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht!“ Heute am neunundzwanzigsten August des Jahres eintausendneunhundertundneunundfünfzi nach der Geburt unseres Herrn und Heilandes, legen wir den Grundstein zu unserer Stephanuskirche in dankbarem Aufblick zu Gott. Sie hat ihren Namen nach dem ersten Märtyrer der Christenheit erhalten. Die Erinnerung an ihn soll uns und den kommenden Geschlechtern den Mut geben zum Zeugnis vom erhöhten und siegreichen Jesus Christus.
Aus der Heimatlosigkeit, dem Elend der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Hast eines ruhelosen Wiederaufbaus sammelt sich unsere evangelische Gemeinde. Sie sehnt sich nach dieser Stätte der Geborgenheit und Stärkund für fünftausend Seelen im ständig wachsenden nördlichen Wohnbezirk Bad Cannstatts. Sie braucht das Gotteshaus, in dem sie durch Gottes Wort in die Vergebung , den Frieden, in die Freiheit und Tapferkeit gerufen wird. Unsere Freude ist heute groß, weil wir den Grund zu dieser Kirche legen dürfen. Dem Herrn gilt unser Lobpreis: „Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Denn der Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ihr Nest, da sie Junge hecken: Deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und mein Gott!“